Schönheit in Tradition
- Elisabeth
- 17. Juli 2023
- 3 Min. Lesezeit

Neulich haben Bekannte von mir geheiratet. Sie heißt mit Nachnamen Sonne. Er heißt Dose. Die Namen sind verändert zur Anonymisierung. Aber die Schönheit in der Bildsprache dieser Beispiele ist vergleichbar. Für welchen gemeinsamen Namen hat sich das Paar entschieden? Für seinen. „Dose“.

Ich redete mit meinen Freundinnen darüber. „Sonne gewinnt doch gegen Dose? LOCKER!“, sagte ich. Meine Freundinnen stimmten mir zu. Dieser für mich nicht nachvollziehbaren Entscheidung.
Beide haben Namen, die ein Bild im Kopf erzeugen. Sie hat seinen angenommen. Und das, obwohl jeder Mensch mit einem gesundem Verstand von Ästhetik meinem subjektiven Standpunkt zustimmen würde: Ihr Name ist eindeutig schöner.
Auch meine Freundinnen kennen das Paar. Eine von ihnen sagt: „Es war klar. Das Paar hatte bei der Entscheidung keine Wahl. Seine Familie ist erzkatholisch. Den Namen der Frau anzunehmen ist bei denen ein NO-GO.“
Ich bin verwundert über diese Aussage. Durchaus eine plausible Erklärung. Und dann eigentlich … offensichtlich. Viele Frauen nehmen noch heute den Namen ihres Mannes an. Einfach weil es verhältnismäßig neu ist, dass wir eine Wahl haben. Die meisten unserer Mütter, Großmütter und alle Generationen davor – sie alle heißen wie ihre Männer. Und nicht umgekehrt. Warum sollten dann ausgerechnet wir die Ersten sein? Wir, die im Stammbaum aus der Reihe tanzen? Sich in die Reihe einordnen. Das ist einfacher. Damit fällt man nicht auf. Damit halten wir uns an die Regel. Auch an die, die es nicht mehr gibt. Aber ungeschrieben dann doch. Offensichtlich. Dieses Denken assoziiere ich als typisch weiblich. Leider.
„Seine Familie ist erzkatholisch.“ Auch diese Aussage erzeugt ein Bild im Kopf. Aber welches? Auch ich bin katholisch. Für mich heißt es mich mit meinem Glauben auseinander zu setzen. Im Glauben zu reifen. Mich stetig weiterentwickeln. Regelmäßig hinterfragen. Auch Zweifel zulassen.

Für andere heißt es wieder etwas Anderes. Es heißt stets nach Traditionen zu leben. Und diese mit den Worten zu begründen: „Wir machen das so, weil es schon immer so war.“ Jedoch haben viele nicht durchdacht, dass das keine Begründung ist. Irgendjemand hat irgendwann ein bestimmtes Handeln und Tun sich ausgedacht, mit einer Begründung. Etwas, das zu dem Zeitpunkt dem Zeitgeist entsprach. „Weil es schon immer so war.“ Das ist Sturheit. Das ist Stehenbleiben in unserem immerwährenden Entwicklungsprozess.
Heute sind Männer und Frauen in unserer Gesellschaft gleichgestellt. Oder wir versuchen es wenigstens. Es gibt Gesetze, die umgeschrieben wurden. Für viele gelten sie jedoch. Immer noch. In ihren Köpfen. Ungeschrieben. Der Mensch strebt nach Weiterentwicklung. Und gleichzeitig ist er ein Gewohnheitstier. Ein Paradoxon. Aber das ist die Natur.
Tradition. Mit anderen Worten heißt es auch: Eine Gewohnheit. In unserem ganz normalen Leben haben wir viele davon – von diesen traditionellen Gewohnheiten. Beziehen wir es noch mal auf das Katholischsein: Zu Weihnachten stellen wir uns einen Tannenbaum auf und schmücken ihn. Zu Ostern bemalen wir Eier. Und was hat der Glaube damit zu tun? In der heutigen Zeit … nicht viel. Nicht direkt. Heute tun wir es, weil wir es schön finden. Weil wir es adaptiert haben – von den Generationen vor uns.

Ich habe mit meiner Familie schon vor Jahren beschlossen, dass wir zu Weihnachten keinen Tannenbaum mehr aufstellen.Wir sehen den Sinn nicht mehr. Darin, dass für unseren Wunsch von Ästhetik oder Tradition ein Baum sterben muss. Trotzdem verurteile ich nicht diejenigen, die es dennoch tun. Denn in jedem Weihnachtsbaum wohnt auch ein Zauber inne. Nicht jeder will darauf verzichten.
Auch den Namen des Mannes anzunehmen kann schön sein. Weil es traditionell ist. Wie ein Weihnachtsbaum. Weil es für viele unverzichtbar ist. Und dann kann und darf auf jeden Fall der Name „Dose“ schöner sein als „Sonne“. Und genauso wenig sollten wir diejenigen Paare verurteilen, die es so tun. Aus Tradition. Denn in jeder Tradition steckt ein Zauber inne. Und das ist Begründung genug.
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