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Warum „Barbie“ Philosophin ist

  • Elisabeth
  • 24. Aug. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Über die philosophische Tiefendimension des Barbie-Films


Barbie kann alles sein. Sie ist Präsidentin, Juristin, Ärztin, Astronautin. Und wie der Film aktuell in den Kinos zeigt: Offensichtlich auch Philosophin. Oder genauer gesagt die Filmemacher.


Auch ich bin dem Hype um Barbie verfallen: Ich war letzte Woche im Kino. Nach einer Ewigkeit. Für gewöhnlich bin ich kein Kinogänger. Aber Barbie reizte mich. Der Film soll sehr gut sein. So ist es überall in Kritiken zu lesen und zu hören. Gesellschaftskritisch soll er sein. Barbie lebt in Barbieworld, einer frauendominierten Welt. Barbies gibt es in allen Größen, Körpermaßen und Ethnien. Die Barbieworld ist eine für sie perfekte Welt. Kens gibt es auch. Aber zu sagen haben sie nichts.


Dann scheint plötzlich die blonde Stereotypbarbie komisch zu werden. Unperfekt. Sie verändert sich. Die Gründe dafür müssen in der echten Welt liegen. Das Mädchen, das mit ihr spielt, muss die Ursache dafür sein. Die blonde Barbie bricht auf in die echte Welt. Sie will das Problem lösen, um wieder ihr perfektes Leben zu führen.


Unverhofft kommt der Stereotypken mit. Dort angekommen ist Barbie schockiert über die echte Welt. Aber Ken ist begeistert: Die echte Welt ist eine männergeführte Welt. Frauen sind nicht in den federführenden Positionen zu finden. That’s it. Das ist die Kritik, die ich überall las und was dieser Film vor Augen führt. Ich kam aus dem Kino und … war enttäuscht. Der Hype um Barbie ist groß. Aber warum? Brauchen wir denn für diese Tatsache in unserer Gesellschaft einen Film, um es bildhaft zu verstehen? Ein Film, der erst das Gegenteil einer Frauenwelt zeigen muss? Nein. Ich denke nicht. Dass ich in einer Männerwelt lebe, dafür brauchte ich Barbie nicht um mir dessen bewusst zu werden. Das wusste ich schon vorher.


In Barbie fehlte mir die Tiefendimension der Gesellschaftskritik. Immer wieder gibt es während der Handlung kritische Äußerungen, auf die aber nicht näher eingegangen wird. Schade, dachte ich. Vielleicht hat sich der Film nicht gelohnt.


Heute dachte ich wieder über den Film und seine mögliche Message nach. Auf jeden Fall doch ein Film, der in Erinnerung bleibt. Und als Theologin viel es mir auf einmal wie Schuppen von den Augen. Doch! Der Film hat Tiefendimension! Nicht die gesellschaftskritische, für die ich eigentlich da war. Barbie ist Philosophin! Oder genauer gesagt die Macher des Films. Eine der versteckten Botschaften: Die Frage danach warum wir überhaupt in der „echten“ Welt leben. Oder dort überhaupt leben wollen. Und wer jetzt weiterliest, der soll vor Spoiler gewarnt sein: Denn ich werde das Ende des Films verraten.


Zuerst zum Anfang. „Denkt ihr auch manchmal übers Sterben nach?“, fragt die Stereotypbarbie alle anderen Barbies. Und das während sie eine große Party feiern mit einer einstudierten Choreotanzeinlage. Dann stoppt alles. Der Tanz. Die Musik. Alle anderen Barbies sehen die blonde Barbie verwirrt an. Etwas stimmt nicht. Sterben ist offensichtlich für gewöhnlich kein Thema in Barbieworld. Denn Barbies sterben für gewöhnlich nicht. Diese Szene ist zu Beginn des Films der Aufhänger dafür, dass mit der blonden Barbie etwas nicht zu stimmen scheint. Sterben? Tod? Doch nicht in unserer perfekten Welt! Das gibt es hier doch nicht…


Dort wo all die Unperfektheiten, die der blonden Barbie wiederfahren, für gewöhnlich real sind, ist die reale Welt. Daher muss dort ihr Ursprung ihrer Probleme sein. Barbie macht sich also dorthin auf den Weg um den Ursprung zu finden, die Probleme zu lösen, um wieder perfekt zu sein. Sie sucht das Mädchen, das mit ihr spielt. Und Barbie findet sie. Allerdings „entpuppt“ sie sich als erwachsene Frau. Die ist Sekretärin bei Mattel – dem Hersteller der Barbiepuppen. Sie ist es, die sich mit dem Menschsein beschäftigt. Mit den Gedanken des Endlich-seins, des Sterbens. Sie ist es, die Barbie in Zeichnungen kreiert hat als „echte“ Frau. Nicht mit Highheels und Makellosigkeit. Sondern mit „Plattfüßen“ und Orangenhaut an den Oberschenkeln. Und all diese Ideen spiegelten sich an Barbie in Barbieworld wieder.


Barbie bringt diese erwachsene Frau und ihre Tochter nach Barbieworld. Ob sie wirklich weiß wie sie ihre Probleme wieder in den Griff bekommt? Zurück in Barbieworld stellt sie fest: Sie hat eine tiefe Sehnsucht. Sie möchte MEHR sein, also bloß eine Idee von jemand anderes. Denn das ist Barbieworld: Keine echte Welt. Sondern eine Welt von Ideen. Und zum zweiten Mal im Film steht Barbie, der Frau gegenüber, die sich die Barbiepuppen vor vielen Jahrzehnten ausgedacht hat. Der Geist von Ruth Handler offenbarte sich Barbie bereits in der echten Welt. Jetzt steht sie erneut vor ihr. In Barbieworld. Und hier offenbart sie sich als ihre Erfinderin. In der nächsten Szene spazieren Ruth Handler und Barbie ins Nichts. Dort stehen sie und unterhalten sich. Barbie steht vor ihrer wichtigsten Entscheidung. Sie offenbart ihrer Schöpferin, dass sie ein echter Mensch sein will. Das ist ihre Sehnsucht. Dass sie eigene Ideen haben will. Ruth Handler sagt ihr, dass das Menschsein endlich ist, aber Ideen ewig leben. Dass sie Barbie wie ihr Kind erschaffen hat, dass sie sie liebt. Und dass sie in ihren Entscheidungen frei ist.


Entscheidung getroffen. Barbie sitzt mit ihrer Freundin, der Sekretärin von Mattel, und derer Familie im Auto. In der echten Welt. Alle feuern Barbie an: „Du schaffst das!“ Barbie steigt aus. Geht ins nächste Gebäude. Und sagt zu einer Arzthelferin: „Ich habe einen Termin bei meinem Gynäkologen.“ Damit ist klar: Barbie ist keine genitalienlose Puppe mehr. Sie ist eine Frau. Echt. Und damit endet der Film.


Letzte Woche im Kino habe ich dieses Ende als flapsig empfunden. Die Menschen im Kino lachten darüber. Meinen Humor traf es nicht. Ich lache immer noch nicht. Aber ich freue mich jetzt über dieses Ende. Ich freue mich für Barbie. Darüber, dass sie jetzt die Erfahrung machen kann was es heißt eine echte Frau zu sein. Sie lebt nicht mehr bloß die Idee dessen was es ist eine Frau zu sein.


Die Szene, die mit Ruth Handler und Barbie im Nichts dargestellt wird, so stelle ich es mir vor und viele Philosophen, die es bisher gab, auch: Die Szene wie Gott seinen Kindern erlaubte Menschen zu werden. Vor langer Zeit, noch bevor sich die Idee von Zeit sich als Zeit manifestierte. Ein Leben zu leben außerhalb der sogenannten Transzendenz, des Himmels, der perfekten Welt. Oder vielleicht auch eine Welt, die die Idee eines anderen zu sein scheint. Wir sind es selbst, die danach strebten ein Leben zu leben in der wir alle unsere Ideen verwirklichen können: In der Immanenz. In unserer Welt, in der wir jetzt gerade leben. Und weil wir die liebende Idee unseres Schöpfers sind, dürfen wir wissen: Wir werden ewig leben.


Und so zeigt der Film, dass Barbieworld eine Art Reich Gottes ist. In Barbieworld herrscht ein tiefer Friede und tiefe Freude. Aber Barbieworld führt zurück auf die Idee von Ruth Handler. So ist „der Gott“ dieser Welt auch eine Frau. So wird sie auch dargestellt. Hier ist Gott kein alter, grauer Mann, wie es sich Kinder oft vorstellen. Sondern eine alte, graue Frau.

Und dadurch wird mir bewusst, dass Barbie von der ersten Idee der ersten Barbiepuppe bis heute, eine wirklich große Vision ist: Barbie zeigt uns, dass wir alles sein können. Barbie ist Präsidentin, Juristin, Ärztin, Astronautin und alles andere was Männer in unserer Welt auch sind. Barbie ist schon all das gewesen, bevor es in unserer echten Welt wirklich so weit war. Schon zu einer Zeit, als Frauen eigentlich nur Mütter und Hausfrauen waren. Jetzt ist Barbie also keine Idee mehr. Barbie ist jetzt eine echte Frau. Und vielleicht zeigt sie irgendwann in einer Fortsetzung des Films als echte Frau den Mädchen in unserer Welt was sie alles sein können. Vielleicht wird sie ja die erste Präsidentin von den USA? Möglich ist es auf jeden Fall. Denn Frauen können alles sein. Und wie dieser Film zeigt: Auch Gott gleich.


Dieser Film ist brillant.


 
 
 

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